Wenn Hunde im Kreis laufen und was wirklich dahintersteckt

Ein sich im Kreis drehender Hund wirkt auf den ersten Blick häufig verspielt, energiegeladen oder schlicht aufgeregt. Viele Menschen interpretieren dieses Verhalten als Überschwang, Übermut oder auch als süße Marotte. Doch wie bei so vielen Verhaltensweisen lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn das wiederholte Kreiseln ist nicht immer harmlos. In vielen Fällen ist es ein ernstzunehmendes Signal für innere Anspannung, Stress oder sogar eine tieferliegende Störung im emotionalen oder neurologischen System des Hundes.

Was genau ist Kreiseln eigentlich

Unter Kreiseln versteht man das wiederholte, stereotype Drehen im Kreis. Entweder um sich selbst, um einen bestimmten Gegenstand oder auch ohne erkennbares Ziel. Das Verhalten tritt in unterschiedlichster Intensität auf. Mal kurzzeitig unter Aufregung, mal regelmäßig vor bestimmten Ereignissen wie dem Füttern oder Spazierengehen. Und in besonders auffälligen Fällen minutenlang oder sogar über Stunden hinweg ohne Pause.

Verhaltensbiologisch lässt sich Kreiseln dem repetitiven Bewegungsverhalten zuordnen. Es handelt sich dabei nicht um zielgerichtete oder funktionale Bewegungen, sondern um sich wiederholende Abläufe, die oft spannungslösend oder kompensatorisch wirken. Vergleichbar mit dem Kopfwippen bei gelangweilten Tieren im Zoo.

Stress als möglicher Auslöser

Einer der häufigsten Gründe für vermehrtes Kreiseln ist emotionaler Stress. Wird ein Hund regelmäßig überfordert, zu wenig geistig oder körperlich ausgelastet oder erlebt er dauerhaft Anspannung ohne ausreichende Regulation, sucht er sich Ventile. Kreiseln kann dann eine Art Notlösung sein, um innere Unruhe abzuleiten. Vergleichbar mit menschlichem Fingertrommeln, Zähneknirschen oder nervösem Umherlaufen. Auch in Erwartung von etwas wie Futter, Spaziergang oder der Bezugsperson kann das Verhalten auftreten, besonders wenn der Hund gelernt hat, dass bestimmte Rituale stark mit Aufregung verbunden sind.

Wenn Kreiseln zur Stereotypie wird

Besonders kritisch wird es, wenn das Kreiseln regelmäßig auftritt und sich ritualisiert, unabhängig vom Auslöser. In solchen Fällen spricht man von einer Stereotypie, also einer zwanghaft wiederholten Verhaltensweise, die oft aus einem Mangel heraus entsteht. Mangelnde Abwechslung, mangelnde Reize, mangelnde Ruhe oder mangelnde Stabilität im Alltag.

Stereotypien gelten in der Verhaltensforschung als häufige Anzeichen für chronischen Stress und eine fehlende Fähigkeit zur Selbstregulation. Beim Hund zeigt sich das zum Beispiel durch stundenlanges Kreiseln im Zwinger, ständiges Lecken bestimmter Körperstellen oder das Fixieren auf Bewegungen und Lichtreflexe. Die Ursachen dafür sind oft vielschichtig. Eine Kombination aus Umweltfaktoren, Lernerfahrungen und innerer Überforderung.

Neurologische und medizinische Ursachen

Nicht zuletzt kann exzessives Kreiseln auch auf neurologische Ursachen hinweisen. Bei bestimmten Rassen, durch genetische Veranlagung oder bei älteren Hunden mit kognitivem Abbau, ähnlich wie bei Demenz beim Menschen, tritt Kreiseln häufiger auf. Auch Veränderungen im zentralen Nervensystem, etwa durch Tumore, Entzündungen oder Verletzungen, können dafür verantwortlich sein. Einseitiges Kreiseln in immer dieselbe Richtung kann ein Warnsignal für genau solche organischen Störungen sein und sollte unbedingt tierärztlich abgeklärt werden.

Was du als Bezugsperson tun kannst

Die wichtigste Aufgabe ist es, dein Tier aufmerksam und unvoreingenommen zu beobachten. Wie oft tritt das Kreiseln auf. In welchen Situationen. Wirkt dein Hund dabei ansprechbar oder wie in sich gekehrt. Ist das Kreiseln Ausdruck von Vorfreude oder vielleicht ein Versuch, mit sich selbst klarzukommen.

Wenn du feststellst, dass dein Hund regelmäßig und scheinbar zwanghaft kreiselt, ist es Zeit, genauer hinzuschauen. Am besten gemeinsam mit einer fachkundigen Hundetrainerin oder Verhaltenstherapeutin oder einem Hundetrainer oder Verhaltenstherapeuten. Oft genügt schon eine Umstrukturierung des Alltags, mehr geistige Auslastung, mehr Ruhephasen und gezielte Entspannungstechniken, um dem Hund zu helfen, wieder in Balance zu kommen. In anderen Fällen kann weiterführende therapeutische oder medizinische Unterstützung notwendig sein.

Kreiseln ist mehr als ein lustiges Ritual

Ein Hund, der sich immer wieder im Kreis dreht, versucht womöglich gerade, sich selbst zu helfen. Mit dem einzigen Werkzeug, das ihm in diesem Moment zur Verfügung steht. Als Bezugsperson sind wir gefragt, die Ursachen zu erkennen, ernst zu nehmen und dem Hund alternative Wege zu zeigen, um mit Stress, Aufregung oder innerer Unruhe umzugehen.

Denn Verhalten ist immer Kommunikation. Und oft ist ein sich drehender Hund ein stiller Hilferuf.

 

Bianca Oelscher - Landhun.de