
Wenn wir mit unseren Hunden durch den Alltag gehen, begegnen wir unzähligen unvorhersehbaren Situationen. Zum Beispiel treffen wir unerwartet auf einen anderen Hund und unser Hund reagiert
vielleicht nicht so, wie wir es uns wünschen. In solchen Momenten neigen wir dazu, schnell und unvorbereitet zu reagieren und evtl. zu korrigieren und dann einfach weiterzugehen. Doch was
passiert dabei eigentlich in unserem Hund?
Wenn wir nur korrigieren und die Situation nicht wiederholen, bleibt beim Hund oft ein ungutes Gefühl zurück. Er hat keine Chance, das richtige Verhalten wirklich zu üben und zu festigen.
Stattdessen kann sich Frust oder Unsicherheit aufbauen, weil der Hund nicht versteht, was genau von ihm erwartet wird. Er spürt vielleicht nur, dass etwas nicht in Ordnung war, ohne die
Gelegenheit zu bekommen, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Hunde lernen über Wiederholung. Wenn wir also andauernd im Alltag doofe Situationen haben, ohne sie richtig zu stellen, also doofe Situationen ständig wiederholen, lernen Hunde eben auch ganz
schnell falschen/unerwünschtes Verhalten. Auch das ist ein Lernprozess. Das unerwünschte Verhalten wird zu erlernten Reaktionen.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns bewusst Trainingssituationen schaffen. In diesen Momenten haben wir die Möglichkeit, gezielt zu loben und positives Verhalten zu verstärken. Das Lob und
die positive Verstärkung sind essenziell, denn sie sorgen dafür, dass unser Hund Spaß am Lernen hat. Wenn wir nur korrigieren, fehlt dieses positive Element, und das Training fühlt sich für den
Hund eher unangenehm an. Damit Training wirklich erfolgreich ist, muss das richtige Verhalten viel häufiger belohnt werden, als dass falsches Verhalten korrigiert wird. Denn nur so entsteht ein
vertrauensvolles und freudiges Miteinander, bei dem der Hund gerne mitarbeitet und motiviert ist, das Gelernte umzusetzen.
Wenn wir also im Alltag auf eine schwierige Situation stoßen, ist es viel hilfreicher, diese Situation später in einer kontrollierten Umgebung nachzustellen. So können wir gezielt üben,
korrigieren, wiederholen und belohnen, bis unser Hund sicher und entspannt reagiert. So wird das Training zu einem positiven Erlebnis für Mensch und Hund, und der Alltag wird dadurch harmonischer
und entspannter.
Auch für uns Menschen sind gezielte Trainingssituationen enorm wertvoll. Im echten Alltag reagieren wir oft aus dem Bauch heraus, hektisch, gestresst oder überfordert. Es bleibt keine Zeit, ruhig
zu analysieren oder einen Plan zu verfolgen. Doch genau das brauchen wir, um handlungsfähig zu bleiben. Wenn wir gezielt üben, können wir uns viel besser auf bestimmte Situationen vorbereiten.
Wir lernen, wie wir agieren möchten, was unser Ziel ist und welche Reaktionen sinnvoll sind und wir stärken unser Selbstvertrauen im Umgang mit unserem Hund.
Trainingssituationen geben uns die Möglichkeit, mit Ruhe und Struktur zu lernen. Ohne den Druck, dass gleich „alles klappen muss“. So entwickeln wir ein sicheres Gefühl für das richtige Timing,
die passende Körpersprache und den bewussten Einsatz von Signalen. Und wir lernen, wie sich gute Kommunikation anfühlt. Wer im Training gelassen bleibt, kann diese Gelassenheit auch nach und nach
in den Alltag übertragen. Denn nicht nur der Hund soll wachsen, auch wir dürfen mit jeder Trainingsminute sicherer, klarer und entspannter werden.
Und genau darin liegt dann auch unsere große Chance: Wenn wir als Menschen ruhiger und klarer werden, wirkt sich das unmittelbar auf unseren Hund aus. Oft überträgt sich unsere innere Haltung, ob
wir wollen oder nicht. Sind wir gelassen, fühlen uns vorbereitet und wissen, was zu tun ist, spürt unser Hund diese Sicherheit. Er orientiert sich an uns, vertraut mehr und reagiert selbst
entspannter. So helfen wir ihm, mit schwierigen Situationen besser umzugehen, nicht durch Kontrolle oder Druck, sondern durch echte Führung und ein stabiles Miteinander.
Das ist das Ziel, das wir im Training erreichen möchten: ein souveränes Miteinander, in dem sich der Hund sicher fühlt und sich gerne an uns orientiert. Im Alltag jedoch greifen oft alte Muster,
sowohl beim Hund als auch bei uns. Hunde reagieren dann nicht auf das, was wir im Moment kommunizieren, sondern auf das, was sie bereits mit bestimmten Situationen verknüpft haben. Besonders bei
herausfordernden Themen wie Hundebegegnungen zeigt sich das deutlich: Hat ein Hund gelernt, in solchen Momenten zu eskalieren, fällt er unter Stress oft genau in dieses Verhalten zurück.
Deshalb reicht es nicht, nur neue Übungen zu trainieren. Wir müssen...
a) unserem Hund alternative Strategien und neue Verhaltensmuster beibringen,
b) die alten, emotional aufgeladenen Reaktionen durch neue Erfahrungen überschreiben,
c) selbst echte Ruhe und Klarheit entwickeln – nicht nur spielen, sondern wirklich fühlen,
d) dem Hund helfen, in belastenden Momenten bewusst auf das Neue zurückzugreifen statt auf alte Gewohnheiten,
e) und ihm durch Wiederholung, Sicherheit und klare Führung ermöglichen, diese neuen Wege dauerhaft zu verankern.
Nur so kann echte Veränderung stattfinden, von innen heraus, nachhaltig und auf beiden Seiten.
Wenn wir uns all das vor Augen führen, wird deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur einzelne Situationen zu betrachten, sondern das gesamte Zusammenleben mit unserem Hund zu reflektieren. Wenn
wir im Training klare, ruhige und verlässliche Begleiter sein wollen, dann sollten wir genau diese Haltung auch im Alltag leben, in allen Begegnungen, bei jeder kleinen Interaktion, zu Hause wie
draußen. Nur wenn wir verbindlich und authentisch in unserem Verhalten sind, entsteht eine stabile, vertrauensvolle Beziehung, auf die sich unser Hund verlassen kann. Denn echte Führung, Bindung
und Vertrauen zeigt sich nicht in Ausnahmesituationen, sie zeigt sich im Alltag, jeden Tag, in allem, was wir tun.
Bianca Oelscher - Landun.de